Riesige Brückenteile versperren seit Dienstag die Zufahrt zum Hafen Baltimore an der Ostküste der USA. Die mehr als 2,5 Kilometer lange Francis Scott Key Bridge war in der Nacht eingestürzt, nachdem das rund 290 Meter lange Containerschiff «Dali» steuerlos einen Stützpfeiler der vierspurigen Brücke gerammt hatte. Zwei Tote wurden inzwischen aus dem Wasser geborgen, vier weitere Opfer wurden noch nicht gefunden.
Der grösste Teil der Hafenanlage befindet sich hinter der eingestürzten Brücke und ist damit vom Meer abgeschnitten. Wie lange der Schiffsverkehr gesperrt bleibt, ist derzeit noch unklar. Sicher ist dagegen, dass die Havarie wirtschaftliche Folgen haben wird, und dies umso mehr, je länger die Zufahrt gesperrt bleibt. Denn der Hafen von Baltimore gehört zu den bedeutendsten an der amerikanischen Ostküste.
Im Hinblick auf den Ausfall des Hafens warnte US-Verkehrsminister Pete Buttigieg vor Problemen für die internationalen Lieferketten. Diese könnten massive wirtschaftliche Folgen für die US-Wirtschaft nach sich ziehen. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen und Logistik-Experten sahen dies entspannter; sie erwarteten keine grössere Lieferkettenkrise, die sich in steigenden Warenpreisen niederschlagen könnten.
Allerdings sind die globalen Lieferketten ohnehin unter Druck: Angriffe der Houthi auf Schiffe im Roten Meer und Engpässe im Panamakanal haben die Lieferzeiten verlängert und die Kosten für Unternehmen erhöht, die auf die Häfen der Ostküste angewiesen sind. Die Unterbrechung des Seeverkehrs im Hafen von Baltimore verstärkt diesen Druck, zumindest für die Ostküste der USA.
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Baltimore ist zwar ein wichtiger Umschlagplatz für Container, doch die anderen Häfen an der Ostküste dürften ausreichend Kapazitätsreserven haben, um den zusätzlichen Warenverkehr aufzunehmen. Ein grosser Teil der für Baltimore bestimmten Frachter werden nun wohl Kurs auf New York/New Jersey, Virginia oder Savannah nehmen.
Der Hafen ist zwar nach wie vor landseitig für Lastwagen geöffnet, aber der Ausfall des Seeverkehrs wird voraussichtlich mit 9 Millionen US-Dollar pro Tag zu Buche schlagen. Gesamtwirtschaftlich dürfte der Schaden noch höher sein, da nun Waren im Wert von mehreren Millionen Dollar umgeleitet werden müssen.
Gleichwohl dürfte der wirtschaftliche Schaden eher lokal und regional schmerzhaft sein: Auf Baltimore entfallen nur gerade 4 Prozent des gesamten Ostküstenhandels. Am deutlichsten werden wohl die im Hafen Beschäftigten die Auswirkungen zu spüren bekommen, wenn der Seeverkehr längere Zeit zum Erliegen kommt. Etwa 8000 der 14'000 Arbeitsplätze sind direkt von der Hafenschliessung betroffen; indirekt hängen beinahe 140'000 Jobs von den Aktivitäten im Hafen ab, die fast 3,3 Milliarden Dollar Einkommen generieren. Der Stadt Baltimore und dem Staat Maryland entgehen zudem Steuereinnahmen. (dhr)
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