IN FLORIDA BEHERBERGTE EIN HOTELBESITZER EINST LIEBER EINEN SCHIMPANSEN ALS DIE HARLEM GLOBETROTTERS – AUF DEM WEG ZU WELTRUHM HATTEN DIE BASKETBALLKüNSTLER VIELE WIDRIGKEITEN ZU üBERWINDEN

1951 brachen die Harlem Globetrotters zur opulentesten Tour ihrer Geschichte auf. Mit dem Schiff nahmen sie Kurs gen Europa; sie bespassten den Papst und spielten im Berliner Olympiastadion vor der Weltrekordkulisse von 75 000 Zuschauern. Der Zeitpunkt war nicht zufällig gewählt: Die amerikanische Regierung hatte den Termin so ausgesucht, dass die Globetrotters just dann in der Stadt waren, als im Osten die kommunistischen Weltfestspiele der Jugend und der Studenten stattfanden.

Die Globetrotters waren das westliche Kontrastprogramm. Sie sollten zeigen, dass Afroamerikaner in den USA gut behandelt werden. Frank Washington, einer der Globetrotter jener Tage, sagte später: «Auf den Strassen von Berlin versammelten sich Tausende von Menschen um unseren Bus. Wir dachten erst, die wollten uns lynchen. Aber sie wollten nur Autogramme.»

Die Bedenken waren nicht unbegründet, sie wurden davon genährt, wie lausig die Globetrotters in der Heimat oft behandelt worden waren.

International waren sie gefeierte Stars, zu Hause aber konnten sie oftmals nicht einmal einen Cheeseburger bestellen. In den Südstaaten wie Alabama waren die Globetrotters jahrzehntelang nichts anderes als nützliche Idioten. Man liess sich dort gerne von ihnen für zwei Stunden in einer Arena unterhalten.

Doch nach den Spielen begegneten ihnen viele regelmässig mit offener Feindseligkeit. So kam es vor, dass Akteure bespuckt oder Opfer von Polizeiwillkür wurden. Im segregierten Amerika wurden sie in Restaurants nicht bedient und von Hotels abgewiesen. So geschehen in Jacksonville, Florida, in den 1950er Jahren, während der dressierte Schimpanse «Judy» in der Präsidentensuite logieren durfte. Zuweilen mussten sich die Spieler nachts über die Feuerleiter ins Zimmer ihres weissen Managers schleichen. Oder im Freien übernachten.

Teams wie die 1926 in Chicago gegründeten Harlem Globetrotters waren für afroamerikanische Basketballer über viele Jahre hinweg die einzige Möglichkeit, mit dem Sport Geld zu verdienen. Die Profiligen waren weiss, im ersten Jahr ihres Bestehens 1949/1950 galt das auch für die NBA. 1950 war es dann ein Globetrotter, der als erster Schwarzer einen NBA-Vertrag unterschrieb: Nathaniel Clifton bei den New York Knicks.

«Es ist mir verdammt noch mal egal, ob er gestreift, kariert oder gepunktet ist» – der Klubboss der Celtics redete 1950 Klartext

Im gleichen Jahr wurde mit Chuck Cooper der erste schwarze Basketballer von den Boston Celtics gedraftet, auch er war ein Globetrotter. Der Celtics-Eigentümer Walter A. Brown berichtete danach von Einschüchterungsversuchen durch die anderen Teambesitzer, doch er sagte: «Es ist mir verdammt noch mal egal, ob er gestreift, kariert oder gepunktet ist. Boston wählt Charles Cooper aus Duquesne.»

Das war ein mutiger Schritt, der nicht allen gefiel. Zahlreiche Spieler berichteten von rassistischen Attacken gegen Athleten in der Stadt, es kam vor, dass vor deren Häusern brennende Kreuze aufgestellt wurden – das Zeichen der Terroristen des Ku-Klux-Klan.

Bill Russell, der den Celtics sagenhafte elf Championships bescherte und später der erste afroamerikanische Cheftrainer in einer der vier grossen amerikanischen Profiligen wurde, bezeichnete Boston als «Flohmarkt für Rassismus». Auch er wäre vor dem Start seiner Profikarriere beinahe ein Globetrotter geworden. Doch der Gründer Abe Saperstein beging den Fehler, mit Russells Coach statt mit dem Spieler selbst zu sprechen. Wenn Saperstein sich für zu gut halte, um sich mit ihm auszutauschen, dann sei er auch zu gut, um für diesen Mann zu spielen, sagte Russell danach.

Dennoch hatten die Globetrotters grossen Anteil daran, dass die Rassenschranke fiel. Mehrfach gewann das Team Exhibitions gegen die weissen Meisterteams, 1948 etwa gegen die damals noch in Minneapolis beheimateten Lakers. Die Siege waren Sensationen – und hatten den Nebeneffekt, dass es den Teambesitzern der NBA dämmerte, dass es sich bei den jahrzehntelang verbreiteten Stereotypen, wonach dunkelhäutigen Menschen der IQ fehle, um Basketball zu spielen, um Lügenmärchen handelte.

Die Globetrotters zogen das Publikum an, die NBA spielte vor leeren Rängen

Dass die Rassenschranke fiel – im Baseball war das 1947 in der Person von Jackie Robinson der Fall –, war aber auch in finanziellen Überlegungen begründet: Die Globetrotters waren ein Kassenschlager, während das Publikum mit den traditionellen Profiteams fremdelte.

In den Anfangsjahren der NBA wurden die Globetrotters oft direkt vor NBA-Partien gebucht. Die Hoffnung der Teambesitzer war, dass das Publikum für das eigentliche Hauptspiel in der Arena bleiben würde. Der Plan funktionierte allerdings selten.

International war das Renommee ebenfalls enorm. David Stern, zwischen 1984 und 2014 der Ligakommissionär der NBA, sagte in der 2005 erschienenen Dokumentation «The Team that Changed the World», er habe die Erfahrung gemacht, dass die Menschen auf der ganzen Welt als Erstes «Harlem Globetrotters» sagten, wenn sie an Basketball dächten. In ihrer Blütezeit dürften die Globetrotters das berühmteste Kollektiv des Weltsports gewesen sein.

Die popkulturelle Attraktivität verdankte die Truppe der cleveren Vermarktung durch Saperstein, der ein ähnliches Flair für Marketing entwickelt hatte wie einst der Zirkusbaron P. T. Barnum. Schon der Name war ein Kunstgriff: Mit dem New Yorker Stadtteil hatten die Globetrotters nie etwas zu tun; Saperstein fand aber, dass «Harlem» seinem Produkt zusätzliche Strahlkraft verleihe. Auf der Klaviatur der Kommunikation spielte er virtuos; die Globetrotters waren zu Gast in den wichtigen TV-Sendungen, in den 1970er Jahren erhielten sie sogar eine eigene Cartoonserie.

Es war in erster Linie die afroamerikanische Bevölkerung, welche die Globetrotters trug und manche ihrer Spieler zu Volkshelden machte. Wilt Chamberlain beispielsweise, einen der besten Basketballer der Geschichte, der 1958 ein Jahr für die Globetrotters spielte, weil das mit einer Kompensation von 65 000 Dollar finanziell lukrativer war, als ein letztes Jahr am College zu bleiben. Der 1999 verstorbene, 2,16 Meter grosse Chamberlain ist bis heute der einzige Spieler, der in einer NBA-Partie die 100-Punkte-Marke geknackt hat. Sein 1962 aufgestellter Rekord ist einer für die Ewigkeit.

Über die Jahre schwand der Zauber der Globetrotters. Unter der afroamerikanischen Bevölkerung entbrannte ein Gelehrtenstreit darüber, ob das von der Truppe transportierte Bild des clownesken, unseriösen Blödelsportlers nicht einfach die rassistischen Vorurteile der Weissen befeuere. Nur: In den Augen von Saperstein war dieser Weg zunehmend alternativlos. Denn anders als in den dreissiger bis fünfziger Jahren war es den Globetrotters nicht mehr möglich, die besten Spieler des Landes zu verpflichten – diese schlossen sich nun der NBA an.

Der familienfreundliche Klamauk war das, was die Globetrotters von einem normalen Matchbesuch unterschied. Jeder Schuss Originalität war willkommen: Jahrelang stand ein einarmiger Akteur im Kader. 1985 wurde Lynette Woodard als erste Frau mit einem Profivertrag ausgestattet. In Basel werden am Sonntag auch kleinwüchsige Spieler auf dem Parkett stehen; heute steht die Truppe für eine überdrehte, sehr amerikanische Idee von Abendunterhaltung.

Die NBA umfasst 32 Teams – kein einziger der Klubbesitzer ist Afroamerikaner

Der Zuspruch ging über die Jahre so empfindlich zurück, dass das Unternehmen in den frühen neunziger Jahren kurz vor der Zahlungsunfähigkeit stand. Gerettet wurde es 1992 vom Unternehmer Mannie Jackson, einem ehemaligen Globetrotter, der aus jener Zeit diese Geschichte überliefert: «Wir waren in den 1960er Jahren in Finnland. Eine Familie hat mich zu sich nach Hause eingeladen und dann gefragt, ob ich einen Schwanz hätte, wie ein Tier. Wir haben anschliessend bis drei Uhr morgens über Vorurteile geredet. Sie konnten fast nicht glauben, dass ich an der Universität studiert hatte.»

Jackson verkaufte seine Mehrheitsanteile 2006, mittlerweile gehören die Globetrotters einem Konsortium, das unter anderem Freizeit- und Wasserparks betreibt.

Ein schwarzer Besitzer für die Globetrotters: Das hatte etwas Romantisches. Denn bei allen Fortschritten, bei deren Erkämpfung die Globetrotters eine wichtige Rolle spielten, gibt es Dinge, die sich nicht geändert haben: In der NBA, längst eine Gelddruckmaschine, die pro Jahr mehr als 10 Milliarden Dollar Umsatz generiert, machen Afroamerikaner knapp 70 Prozent der Spieler aus. Doch seit Michael Jordan im Sommer 2023 die Charlotte Hornets verkauft hat, gibt es bei den 32 Teams keinen einzigen afroamerikanischen Mehrheitseigner mehr.

In der Premierensaison der NBA lag die Gehaltsobergrenze der Liga bei 55 000 Dollar – pro Team und Saison, das Gros der Spieler verdiente zwischen 4000 und 5000 Dollar. Heute, rund 75 Jahre später, erhalten die Topstars 40 Millionen und mehr. Doch die wirklich grossen Summen verdienen auch 2024 die schwerreichen weissen Tycoons.

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