JUNGE STäDTER STIMMEN FüRS KLIMA, FLIEGEN ABER AM HäUFIGSTEN

Junge und Urbane stimmten erst gerade noch für mehr Klimaschutz. Nun kaufen sie trotzdem am meisten Flugtickets.

Das Schweizer Stimmvolk sprach sich im Juni für mehr Klimaschutz aus und legitimierte als erstes Land das Netto-null-Ziel per Volksabstimmung. Am höchsten war die Zustimmung in den Städten. Privat wollen sich die Städter aber kaum einschränken: Laut Comparis reist die Mehrheit der Jungen und Urbanen dieses Jahr mit dem Flugzeug in die Ferien.

Vor allem Junge und Urbane kaufen Flugtickets

Laut der Umfrage fliegen dieses Jahr 46 Prozent der Erwachsenen in der Schweiz in die Ferien. Vor allem Junge, Urbane und Einkommensstarke steigen ins Flugzeug. «Trotz der lauten Stimme der Klimajugend kauft vor allem die junge Generation Flugtickets», sagt Comparis-Mobilitätsexperte Adi Kolecic. Nur ein Drittel aller von Comparis befragten Menschen fährt 2024 mit dem Auto in die Ferien und bloss 15 Prozent mit dem Zug.

Städter fordern Umweltschutz und fliegen trotzdem

Es gibt zudem einen Stadt-Land-Graben: 50,2 Prozent der Befragten in urbanen Gemeinden bevorzugen das Flugzeug für ihre Ferien, in den ländlichen Gemeinden sind es bloss 41,4 Prozent. Obwohl der politische Fokus in den urbanen Gebieten auf dem Umweltschutz liege, setze die städtische Bevölkerung verstärkt auf das Fliegen, sagt Kolecic.

Die Kluft zwischen der umweltpolitischen Einstellung und dem tatsächlichen Verhalten der Stadtbewohnerinnen und -bewohner zeigt ein Blick auf das Abstimmungsergebnis vom 18. Juni: Damals sagten 72,7 Prozent der Stimmberechtigten in den Schweizer Kernstädten Ja zum Klimaschutzgesetz, im übrigen städtischen Raum waren es 59,2 Prozent.

So erklärt sich das widersprüchliche Verhalten

Ein solche kognitive Dissonanz könne man oft beobachten, sagt Christian Fichter, Wirtschaftspsychologe und Forschungsleiter der Kalaidos Fachhochschule, auf Anfrage. Kein Mensch lebe ohne Widersprüche. So gebe es auch kaum Menschen, die sich immer gesund ernährten - obwohl wir es eigentlich besser wissen. Zudem rauchten viele, obwohl schon lange klar sei, dass es ungesund sei. «Menschen verfolgen oft mehrere Ziele gleichzeitig, die nicht miteinander kompatibel sind», sagt Fichter.

Die anderen sind schuld

Gehe es um Ferien, wäge man oft zwischen Umweltschutz und Reiselust ab und entscheide sich dann, doch in den Flieger zu steigen. Zudem denken viele, dass sie nicht die Hauptschuldigen am Klimawandel sind und als Individuum kaum etwas dagegen unternehmen können, wie Fichter sagt. Schuld seien andere, zum Beispiel China, die Unternehmen oder die Politik. «Sich selber einzuschränken, fällt schwer, sich selbst etwas zu verzeihen und eine Ausnahme zu machen, ist hingegen leicht», so Fichter.

Viele Junge fliegen mindestens zweimal pro Jahr

Comparis offenbart auch einen Generationenunterschied: 51,6 Prozent der 18- bis 35-Jährigen fliegen in die Ferien, bei den über 56-Jährigen sind es nur 43,2 Prozent. «Auffällig ist, dass 54 Prozent der jüngeren Altersgruppe in diesem Jahr voraussichtlich mindestens zweimal fliegen, im Gegensatz zu nur 38 Prozent der älteren Generation», so Kolecic. Nur jede fünfte Person zwischen 18 und 35 Jahren verzichtet 2024 ganz aufs Fliegen. Bei den über 56-Jährigen sind es mit 38 Prozent fast doppelt so viele.

Ländliche Regionen setzen stärker auf das Auto

Das zweitwichtigste Verkehrsmittel für Ferienreisen ist das Auto, 34,4 Prozent der Befragten fahren damit in die Ferien. In den ländlichen Regionen sind es 41,9 Prozent, in urbanen Gebieten 25,3 Prozent. Das überrasche nicht, denn viele Städter hätten gar kein Auto, sagt Kolecic.

Einkommensschwächere nehmen eher den Zug

Die Comparis-Umfrage zeigt weiter, dass niedrigere Einkommensschichten tendenziell den Zug bevorzugen (24,5 Prozent), während dies nur auf 8,7 Prozent der höheren Einkommensschichten zutrifft. Die Einkommensschwachen machen laut Comparis aber auch häufiger in der Schweiz Ferien als die Menschen aus höheren Einkommensschichten. «Die Distanz zum Reiseziel spielt bei der Wahl des Verkehrsmittels eine zentrale Rolle», sagt Kolecic. Bei Ferien innerhalb der Schweiz oder in angrenzenden Ländern sei der Zug oft praktischer als das Flugzeug.

So stark haben sich die Verkehrsmittel verteuert

Gemäss Comparis-Konsumentenpreisindex haben sich Flugreisen in den letzten 20 Jahren um 43,1 Prozent verteuert (Stand: Januar 2024). Die Preise für den öffentlichen Verkehr stiegen im gleichen Zeitraum um 26,9 Prozent, der Treibstoff um 38,5 Prozent.

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