BAYERISCHES WELLNESSHOTEL - TüFTLER-HOTEL WIRD MIT HOLZFASSADE ZUM ENERGIESPARER-HAUS

Wie nachhaltig kann Tourismus sein? An dieser Frage scheiden sich die Geister. Zertifizierte Öko-Hotels gibt es, doch ziehen sie noch nicht die Massen an. Ein Ehepaar in einer bayerischen Kleinstadt hat sich nun einen Traum erfüllt und zeigt der Branche, wie es geht.

Wer hier steht, dem wird ein bombastischer Blick geboten: Grüne Wiesen, sich sanft im Wind wiegendes Gras wird umrandet von einem imposanten Bergpanorama. Zur Aussicht gehört auch die Geräuschkulisse oder vielmehr: deren Fehlen. Denn hier hört man lediglich das Rauschen des Waldes im Hintergrund, ab und zu mal ein Auto, vielleicht einen Traktor vom nahegelegenen Bauernhof.

 

Ehepaar erfüllt sich Traum mit nachhaltigem Wellness-Hotel

Hier, das ist das Wellness-Hotel Bergeblick in Wackersberg bei Bad Tölz, knapp 50 Kilometer von München entfernt. Betrieben wird es von Andrea und Johannes Tien, die vor knapp zehn Jahren hergezogen sind und sich damit einen Traum erfüllt haben.

Ehrliche Materialien wollten sie hier verbauen, sagt sie und nimmt den Weg in eines der Zimmer. Die Gäste haben die Wahl zwischen Alpenpanorama oder Waldbaden, dazwischen gibt es nochmal verschiedene Zimmerkategorien, vom Einzelzimmer bis zur Suite. Wer ganz für sich sein mag, kann auf eine der drei Gartensuiten ausweichen – eigener Pool inklusive. Für das Haus gilt: Mitten in der Natur, also „Natureness“, statt einfach nur „Wellness“. Dafür hat sich das Paar überlegt, wie es diese Symbiose aus Hotel und Natur umsetzen kann.

Holzbau in der Dorf-Idylle

Herausgekommen ist zum Beispiel die sogenannte Pergola, eine komplett aus Holz gefertigte Außenfassade. Das Fichtenholz stammt aus dem Allgäu, ein kleiner Wald wurde dafür gerodet – und ein neuer zum Ausgleich angepflanzt, wie der selbsterklärte Tüftler Johannes Tien später erzählt.

Johannes scherzt beim gemeinsamen Gespräch in der Hotellounge, dass so mancher Einheimischer sich mit dem Stil noch nicht anfreunden konnte und die Holzverkleidung schlichtweg „das Gerüst“ nennt. Das Thema Holz und die Vorgabe der „ehrlichen Materialien“ nimmt das Ehepaar ernst: Sogar die Geräte im Fitnessraum, samt Fahrrad und Gewichten zum Trainieren, sind aus Holz.

 

Die Bergeblick-Philosophie: „Natureness“ statt „Wellness“

Während beim Zimmertrakt die Wände aus Holz sind, ist die Decke in allen Hotelzimmern aus Beton. Johannes erinnert sich, wie er davon zu Anfang nicht begeistert war, schließlich sollte durch all das Holz die Verschmelzung mit der Natur im Vordergrund stehen – doch laut Architekten sei es der einzige Weg für die Gäste, nicht permanent das Trampeln ihrer Nachbarn zu hören.

Damit die Naturverbundenheit nicht auf der Strecke bleibt, hat besagter Architekt ein paar Anpassungen vorgenommen: So sind die Fenster in einer Holzkonstruktion eingebaut worden. Auch der Brandschutz spielte eine Rolle.

Tüftler-Kühlung für den Sommer

Ein weiterer Grund für Beton: Die Kühlung. Weil die Tiens auf keinen Fall eine Klimaanlage einbauen wollten, musste ein anderes Kühlmittel her. Herausgekommen ist eine besondere Tüftelei, quasi eine umgekehrte Fußbodenheizung: Die Solaranlagen auf dem Dach können Wasser geringfügig herunterkühlen, das dann durch Rohre innerhalb der Zimmerdecken und Fußböden geleitet wird. Damit kann man die Räume im Hoteltrakt auch ohne Klimaanlage abkühlen. Das wäre in einer reinen Holzkonstruktion nicht möglich gewesen.

Unterstützt wird die Kühlung im Sommer auch von der Pergola: Große Vorhänge an der Fassade sorgen für Schatten. Doch sie erfüllt nicht nur eine ästhetische, sondern auch eine energetische Funktion: Dank der Holzkonstruktion ist das Gebäude ein sogenannter „Gebäudetyp E“, also ein besonders energie- und ressourcenschonendes Haus. Möglich macht es der Verzicht auf Metallabdeckungen an der Fassade, die als besonders energieintensiv gelten. Die kalte Abluft, die abends von den Gipfeln des Braunecks ins Tal weht, würde Johannes auch gerne für die Kühlung nutzen. Das will er zusammen mit einem Münchner Klimatechniker ausklamüsern.

Mit dem Betonbau hat Johannes sich mittlerweile angefreundet. „Uns war von vorneherein klar, dass wir für die Zukunft bauen“, betont der Hotelchef. Er wünscht sich, dass die aktuelle Gen Z auch in 20 Jahren noch herkommt und diese „Symbiose aus Holz und Beton“, wie er es nennt, ebenso wertschätzen kann.

Den Strom erzeugt das Hotel selbst

Zum Bergeblick gehört nicht nur der Hauptbau samt Zimmertrakt, sondern auch das hölzerne Sauna-Haus, der Außen-Pool sowie das Indoor Spa mit Saunen und Naturpool. Der Strom für die gesamte Hotelanlage wird von den hauseigenen PV-Anlagen auf dem Dach erzeugt. Dank Wallboxen profitieren davon auch Hotelgäste, die mit einem E-Auto vor Ort sind.

Nachts beziehen sie Strom von den Tölzer Stadtwerken, 100 Prozent Ökostrom, wie der kommunale Versorger auf seiner Website schreibt. Einen hundertprozentigen Anteil können die Versorger laut Umweltbundesamt (UBA) zwar in der Regel nicht garantieren, doch je mehr Verbraucherinnen und Verbraucher Ökostrom auswählen, desto höher ist der Anteil im Gesamtnetz.

Holz aus der Region

Geheizt wird im Hotel Bergeblick mit einer Hackschnitzelanlage. Derzeit beliefert sie ein Sägewerk im nahegelegenen Bichl, das diese aus Sägeresten herstellt.

Hackschnitzel befinden sich, ähnlich wie Pelletheizungen, quasi im mittleren Nachhaltigkeits-Bereich: Obwohl die Verbrennung von Holz durchaus eine bessere Klimabilanz als Öl und Gas hat, setzen auch Holzkessel klimaschädliche Gase wie CO2, Methan oder Lachgas frei. Hinzu kommt, dass all das im Holz gespeicherte CO2 ebenfalls freigesetzt wird.

Wichtig ist laut UBA also, dass entsprechende Filter verbaut sind, die möglichst viele Rußpartikel und andere Schadstoffe abfangen. Weil das Bergeblick auf entsprechende Filter setzt und seine Hackschnitzel von einem regionalen Versorger abnimmt, sind hier die Transportwege vergleichsweise kurz - und die Emissionen der Anlage und durch den Transport geringer.

„Wir sind nicht perfekt“

Dass ihr Hotel kein Musterbeispiel für nachhaltigen Tourismus ist, weiß das Ehepaar Tien. „Wir sind nicht perfekt“, sagt Andrea, während ihr Mann nickt und ergänzt: „Ich will nicht den Zeigefinger heben und sagen, wie andere das zu machen haben.“ Ideen, wie sie ihr Hotel verbessern könnten, haben sie aber genug.

Beispiel Stromversorgung: Derzeit wird überflüssiger Strom aus den PV-Anlagen geringfügig eingespeist, lieber wäre den beiden aber ein Energiespeicher. „Noch haben wir keinen, weil die Preise viel zu hoch sind“, meint Johannes. „Wir streben aber eine 65- bis 70-prozentige Autarkie an.“ Dafür brauchen sie zusätzliche PV-Anlagen, die Kosten dafür liegen bei schätzungsweise 200.000 Euro. Doch das ist jetzt, wo es erstmal keine Fördermittel mehr gibt, zu teuer.

Nach Analyse greift das Team mit Handtuch-Strategie an

Eine andere Facette, bei der vermutlich jeder Hotelier mitfühlen kann: Wäsche. Nach sechs Monaten haben die Tiens die Wäscheberge, die nach jedem Wochenende anfielen, genauer überprüft. Ergebnis: Der durchschnittliche Gast benutzt täglich zwei Handtücher und drei Saunalaken. Eine erste Maßnahme bestand darin, die Saunalaken abzuschaffen, eine zweite im Housekeeping: Wer für die Dauer des Aufenthaltes komplett auf Housekeeping verzichtet, bekommt eine zehnminütige Massage geschenkt. Um Heizkosten zu sparen, muss jeder Gast im Vorfeld überlegen, welche Sauna wann benutzt wird.

Es sind vor allem diese kleinen Verbesserungen, die das Team über die Zeit überall vollzieht, um Strom, aber auch Geld zu sparen. So haben sie überall im Haus Zeitschaltuhren angebracht, die alles steuern – von den Lampen in der Lounge bis zu den Getränkekühlschränken. Bei den Kosten habe sich das schon bemerkbar gemacht. „Am Ende ist es eine Betriebsentscheidung“, sagt Johannes.

Nachhaltigkeit ist auch, mehr Urlaub zuhause zu machen

Das Bergeblick ist ein Exempel dafür, was das Gros der Hoteliers bewegen kann – für den eigenen Geldbeutel, aber auch für die Gesellschaft. Natürlich gibt es auch CO2-neutrale Baumhaushotels und Öko-Hostels mit Komposttoiletten – doch die Masse wird es stets vorziehen, zum Wellnessen nach Südtirol zu fahren. Und genau hier gibt es einen Riesenhebel

„Viele Gäste sagen, jetzt müsse man gar nicht mehr nach Südtirol fahren. Wellness, Berge, und so weiter bekommt man auch alles hier“, meint Andrea. „Auch das ist Nachhaltigkeit, weil weniger CO2 beim Verkehr anfällt, weil niemand die Reise über den Brenner antreten muss“, legt sie nach.

Ausgerechnet jetzt gibt es keine KfW-Mittel mehr

Ihre Forderung kommt nicht von ungefähr. In Bayern fand das in Form des „Urlaub dahoam“ während der Coronapandemie großen Anklang: Plötzlich ging es nicht nach Spanien, Griechenland oder Italien, sondern nach Bamberg, zum Sylvensteinsee und zum Walchensee. Dieses Bewusstsein ist auch bei den Deutschen gewachsen, deshalb ist die Nachfrage nach klimafreundlichem Reisen in der Post-Covid-Zeit gestiegen. Davon profitieren besonders die Reiseziele, die gut an den Nahverkehr angebunden sind.

Johannes Tien betont, wie wichtig solche Anreize sind. Damit aber auch andere Hoteliers die Zeit, die Arbeit und vor allem die Kosten auf sich nehmen, brauche es Anreize: Steuererleichterungen zum Beispiel, damit es wirklich Vorteile hat, mehr PV-Anlagen zu bauen oder in Speicher zu investieren. „Stattdessen wird über den Haushalt gestritten und die KfW-Mittel gestrichen", sagt er kopfschüttelnd. "Politisch sind wir gerade in einer Sackgasse – unabhängig davon, welche Partei regiert.“

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