DISCGOLF WIRD IN BERLIN IMMER BELIEBTER: WIE KLEINE UFOS IM PARK

Die Sportart ist kostengünstig und ermöglicht Bewegung an der frischen Luft. Allerdings tauchen bei der Ausübung manchmal Probleme auf.

Bunte kleine Ufos fliegen durch den Lichterfelder Park. Sie versuchen alle so nahe wie möglich am Mutterschiff, oder besser -korb zu landen. Die Scheiben hier sind jedoch kein außergewöhnliches Phänomen, sondern Teil eines anerkannten Sports: Discgolf.

Wie der Name andeutet, funktioniert Discgolf ähnlich wie Golf, nur dass mit Frisbees gespielt wird. Es gibt einen Kurs von meist 18 Bahnen und die Spielerinnen und Spieler wollen ihre Scheibe mit möglichst wenig Würfen in dem Fangkorb aus Metall versenken. Sie starten an einer festgelegten Abwurfzone, und machen anschließend immer von dort weiter, wo ihre Scheibe gelandet ist. Meist sind die Bahnen zwischen 40 und 250 Meter lang.

Im Gegensatz zu Golf, das aus dem 18. Jahrhundert stammt, ist Discgolf natürlich recht neu. Die Sportart kam in den 1970er Jahren in den USA auf, in Deutschland bildeten sich um 1980 die ersten Gruppen. Für eine davon war Stephen Defty verantwortlich. Defty kam als Austauschstudent aus den USA nach Deutschland. Von seiner Universität in Boston kannte er den Sport schon, er hatte dort auch Ultimate Frisbee gespielt.

Das Spiel erinnert eher an American Football, wird aber mit Scheiben gespielt. Zwei Mannschaften mit jeweils sieben Spielern wollen die Scheibe in eine Endzone kriegen, und erhalten dann Punkte. „Ich hab schon immer gerne Frisbee gespielt, und fand Ultimate damals sofort attraktiv, und auch alternativ“, erinnert sich der heute 66-Jährige.

Den Sport wollte er hier weitermachen, doch es gab noch nichts dazu. „Dann mache ich das jetzt selbst“, sagte Defty damals. In Zeiten vor dem Internet hat er überall Anzeigen geschaltet und Flyer aufgehängt. 1983 fand schließlich das erste Ultimate Training in Berlin statt, das erste Berliner Team „Wall City“ war geboren.

Gut 40 Jahre später gibt es 14 Ultimate Teams in Berlin, mit dabei auch „Wall City“, das heute in der Ersten Liga spielt. Außerdem gibt es vier Discgolf-Vereine, die auf sechs permanenten Anlagen spielen können. Wie zum Beispiel auf dem Parcours im Bäkepark in Lichterfelde. Defty spielt da mehrmals die Woche, er wohnt nicht weit von hier. Er hat Ultimate vor mehr als 20 Jahren nach einer Verletzung den Rücken gekehrt und spielt nur noch Discgolf. Neben seinem Job als Erzieher in einem Heim mit Menschen mit Schwerbehinderung war Defty lange Abteilungsleiter für Frisbee beim SC Siemensstadt, bis er zu den TuSLi Disceteers in Lichterfelde gewechselt ist.

Wir teilen uns den Park mit Fußgängern. Dadurch sind die Bahnen nicht immer spielbar.

Christopher Jähn, Discgolfer

Wenn Defty durch den Bäkepark läuft, kommt ein „Legacy Gefühl“ bei ihm hoch: Alle kennen ihn, alle wissen, was er für diesen Sport geleistet hat. An einer Bahn stehen gerade etwa acht Leute. Einige haben blaue T-Shirts an mit der Aufschrift „United Disc Golf e.V.“.  Auch sie kennen und grüßen Defty direkt. Einer davon ist Christopher Jähn. Er steckt zusammen mit sieben anderen in der letzten Phase, den Verein United Discgolf zu gründen und amtlich zu machen. Gemeinsam wollen sie sich für mehr Plätze in Berlin einsetzen.

„Wir teilen uns den Park mit Fußgängern. Dadurch sind die Bahnen nicht immer spielbar“, sagt der 36-Jährige. Ein Vorteil bei Discgolf sei zwar, dass nicht in die Natur eingegriffen, und auch keine extra Anlagen dafür gebaut werden müssen. „Aber bei schönem Wetter ist der Park natürlich voll.“ Die Golfer warten dann oft lange, bis sie werfen können, oder fragen Leute, ob sie sich kurz wegsetzen können. Eifrige Hunde sind weniger ein Problem: „Die wissen, dass sie das nicht dürfen“, sagt Jähn.

Mitunter landen Scheiben auf dem Gehweg des Parks

Der Discgolfer steht am Abwurfplatz. Er macht ein paar schnelle Schritte nach vorne, ähnlich einem Diskus-Anwurf, holt aus und schleudert die Scheibe aus einer hüfthohen Drehung in die Weite. Sie landet links oben auf dem Gehweg. Der ist eigentlich nicht Teil der Bahn. Jähn muss sich einen extra Strafwurf aufschreiben. Das geht am einfachsten mit der App UDisc. Spieler:innen schreiben dort ihre Würfe auf. Die App zeigt aber auch alle Parks weltweit an sowie alternative Abwurfplätze auf einen Korb.

Bevor Jähn zu seiner Scheibe gehen kann, wirft ein Fußgänger sie schon zurück – netterweise, wie dieser denkt. Für das Spiel jedoch ungünstig: Jähn muss eigentlich vom Landeplatz weiterwerfen. Den Golfern passiert das oft. „Ich kann ‚liegen lassen‘ in sieben verschiedenen Sprachen sagen“, erzählt Defty. Andere Passanten bleiben stehen und verfolgen interessiert, wohin die Scheiben fliegen.

Du erinnerst dich nicht an Titel, sondern an Würfe.

Stephen Defty, Discgolf-Pionier in Deutschland

Der Sport hat vor allem seit der Corona-Pandemie einen Boom erfahren. Er erfüllte die Beschränkungen, und ermöglichte trotzdem Bewegung an der frischen Luft. Auch Jähn hat um die Zeit mit Discgolf angefangen, andere Golfer nicken ebenfalls. „Es ist einfach schön, mit Freunden draußen zu sein und was zusammen zu machen“, sagt Jähn.

Ob alt oder jung, alle können daran teilnehmen. In der Gruppe, oder alleine. Und auch bei jedem Wetter. Selbst Turniere finden bei Wind und Regen statt, nur bei Blitzgefahr dürfen keine Scheiben durch die Luft segeln.

Zudem ist es ein sehr kostengünstiges Hobby. Die meisten Anlagen sind umsonst, eine Scheibe kostet um die 20 Euro. Viele haben jedoch einen ganzen Rucksack an verschiedenen Scheiben dabei, um für jede Situation bereit zu sein. So gibt es etwa Annäherungsscheiben, Driver und Putter. Aber auch Scheiben für Links- oder Rechtskurven, oder besonders windige Tage. Einige Scheiben landen auch mal im Teltowkanal, der am Bäkepark entlangfließt.

Nach Schätzungen des Landesverbandes Frisbeesport Berlin spielen heute etwa 1500 Discgolfer regelmäßig in Deutschland. Der erfolgreichste deutsche Discgolfer ist Simon Lizotte aus Bremen. Er lebt in den USA, steht dort auf Platz fünf der nationalen Rangliste und hält mehrere Weltrekorde. Erst 2023 hat er einen Vertrag mit MVP Discs unterschrieben, der ihm pro Jahr mehr als eine Million Dollar einbringt.

In Berlin werden vom 21. bis 23. Juni zum 36. Mal die Berlin Open ausgetragen, Spielort ist der Volkspark Rehberge. Auch Stephen Defty wird wieder daran teilnehmen, in der Senior Grandmaster Klasse. Der 66-Jährige ist bereits elfmaliger Deutscher Meister und Vizeeuropameister der Grandmaster Spielklasse und hat an zwei Weltmeisterschaften teilgenommen.

Dass Defty bis heute so gerne diesen Sport ausübt, hat nichts mit seinen Siegen oder Preisen zu tun. „Du erinnerst dich nicht an Titel, sondern an Würfe.“ Erst vor einem halben Jahr hat er das zweite Ass seines Lebens geworfen, also mit einem Wurf in den Korb getroffen. „Das müssen ungefähr 50 Meter gewesen sein. 21 Leute haben das gesehen, das ist schon was Besonderes.“ Die Scheibe hängt nun bei ihm zuhause an der Decke.

2024-04-24T08:09:45Z dg43tfdfdgfd