Wie im Brennglas offenbart die Sonne Floridas die Unwägbarkeiten des internationalen Kunstmarkts. Kaum eine Branche profitierte während der letzten drei Jahrzehnte in vergleichbarer Weise von den Vorzügen offener Grenzen, niedriger Zölle und politischer Sicherheiten. Es entstand eine ganze Lifestyle-Industrie, die immer weiter in die Breite ging: mit einem weltumspannenden Geflecht aus Galerien, Museen sowie den allgegenwärtigen Kunstmessen. Und es war gerade die Art Basel Miami Beach (ABMB), die während der unbeschwerten Boomphase den Inbegriff dieser Entwicklung markierte.
Kein Wunder also, dass die vielen globalen Krisen und Verwerfungen auch das Stimmungsbild der gegenwärtigen Ausgabe der ABMB prägen. Dabei haben sich die strukturellen Veränderungen auf allen Ebenen des Marktes bereits über Jahre abgezeichnet. Gleichwohl ist es die erneute Wahl Donald Trumps, die dem Kunstbetrieb mit seiner traditionell liberalen Klientel nun einen für alle sicht- und spürbaren Dämpfer verpasst: Es gibt kein Vertun mehr – die Zeit der ausgelassenen Beach-Partys ist vorbei, die Kunstwelt, aber auch der Standort sind in schwereres Fahrwasser geraten.
Es ist nur folgerichtig, dass dieser Umschwung besonders konturiert vor der Kulisse Miamis erscheint. Die Millionenstadt ist nicht nur Ort extremer Gegensätze von sozialer Verwahrlosung und glitzernden Fassaden, sondern auch urbaner Vergänglichkeit und ständiger Erneuerung. Nichts scheint langfristig Bestand zu haben im tropischen Karibikklima. So zeugen denn auch die vielen leerstehenden Hotels entlang der Collins Avenue – Perlen des Art déco und in den frühen ABMB-Jahren Dreh- und Angelpunkte der Messeszene – vom verblassten Charme besserer Jahre: der Shore-Klub etwa oder das ikonische Delano-Hotel, das derzeit komplett entkernt wird.
Und wer sich an die wahrlich glamourösen Nächte im legendären «Raleigh» erinnert, dem kommen beim Anblick der verfallenden Bauruine fast die Tränen. Daher ist nicht verwunderlich, dass auch viele wichtige amerikanische Sammler lieber zur Art Basel nach Paris reisen und sich am frisch renovierten Grand Palais berauschen – auch dies ein Zeichen der tektonischen Verschiebungen im Kunstbetrieb.
Nach enttäuschenden New Yorker Herbstauktionen waren die Galeristen dieses Jahr mit flauem Rückenwind nach Miami gekommen. Und auffällig ist auch hier, ähnlich wie beim Besucherprofil in New York während der Auktionswochen, die schwache Präsenz der Europäer. So liefen die Verkäufe während der ersten Messestunden der Art Basel in Miami Beach entsprechend schleppend. Das mag freilich auch am Angebot liegen. Denn zu den strukturellen Problemen zählt eben nicht nur ein Generationenwechsel bei den Sammlern. Der Markt ist einfach überschwemmt von Belanglosigkeiten, vor allem im Bereich einer oft ermüdenden jungen Malerei.
Auch bei den bewährten Namen muss der Connaisseur in Miami auf die Suche gehen. Die Acquavella Galleries etwa zeigen eine erstklassige Gouache von Fernand Léger aus dem Jahr 1913 («Contraste de formes», 2,8 Millionen Dollar). Karsten Greve hat terminlich abgestimmt mit einer kommenden Wols-Ausstellung in St. Moritz ein seltenes Gemälde des Malers für 1,9 Millionen Dollar am Stand. Sperone Westwater präsentiert neue Zeichnungen von Bruce Nauman zum Stückpreis von 250 000 Dollar, ebenfalls zeitgleich mit einer beeindruckenden Schau in den New Yorker Räumen der Galerie. Und ein feines Highlight der Messe gibt es bei Alberta Pane aus Paris mit einer Auswahl früher Fotografien von Claude Cahun zu sehen.
David Zwirner hingegen zeigt ein Werk des lange unterbewerteten, 1934 geborenen Raymond Saunders (160 000 Dollar), während Freunde früher Amerikaner wie gewohnt bei Hirschl & Adler auf ihre Kosten kommen; im Angebot hier ist etwa eine seltene Zeichnung von Grant Wood für 245 000 Dollar. Auch wenn so manches auf der Messe nicht mehr ganz marktfrisch ist, muss Alighiero Boettis grossformatige «Addizione» von 1982 nach wie vor beeindrucken (4,5 Millionen Dollar bei Lévy Gorvy Dayan).
An gleicher Stelle war ein Gemälde der amerikanischen Malerin N. Dash (geb. 1980) für 12 000 Dollar schnell verkauft, die Kollegin Xylor Jane reüssierte mit einer neuen Arbeit für 70 000 Dollar bei Konrad Fischer aus Berlin. Bei White Cube gibt es Neues von Danh Vo, mit einer Skulptur des Künstlers von 2024 für 400 000 Euro. Und nicht nur Veteranen unter den Galeristen wie Paula Cooper oder Marian Goodman, die erst kürzlich Räume in New Yorks neuem Galerienviertel Tribeca eröffnete, fallen mit wohl kuratierten Ständen auf – auch der junge Berliner Galerist Lucas Casso (Sweetwater) sticht mit seiner Einzelpräsentation von Jesse Stecklow hervor.
Viele alte Gewissheiten indes scheinen dieser Tage zur Disposition zu stehen. Die Art Basel Miami Beach ist freilich immer noch die bei weitem beste Kunstmesse in den USA. Dies hat auch damit zu tun, dass sich New York, Los Angeles oder Chicago nie langfristig als internationale Messestandorte etablieren konnten. Doch dürfte die ABMB künftig – auch vor dem Hintergrund der transatlantischen Entfremdung – hauptsächlich zur inneramerikanischen Angelegenheit werden. Der europäische Messebetrieb kann zwar nicht mit Palmen und Mojitos aufwarten – dafür aber mit einem Grand Palais.
2024-12-07T05:07:51Z