DAS IST DER FIESE SACK, DER IMMER ALLE DEINE GEHEIMTIPPS VERRäT

Seit über einem Jahr verrate ich bei unserer wöchentlichen «Rauszeit» die schönsten Flecken der Schweiz. Grosse Touristenhotspots lasse ich da meist weg, ich zeige lieber einige unbekanntere Perlen – auch als Geheimtipps bekannt. Das kommt nicht immer gut an. Ein Kommentar.

Seit über einem Jahr betreue ich jetzt unsere wöchentliche Ausflugsrubrik «Rauszeit». Obwohl die Serie bei den Usern meist sehr gut ankommt, fehlen auch praktisch nie Reaktionen wie: «Danke, Reto Fehr, ab jetzt muss ich den Ort meiden» oder «Jetzt wird auch dieser Geheimtipp von Influencern zerstört» oder «Du hast mir meinen Geheimtipp kaputt gemacht. Jetzt kennt ihn die ganze Welt».

Das tut mir natürlich leid. Falls dem wirklich so ist. Andererseits finde ich die Möglichkeit auch spannend, dass ich mit meinen Artikeln die Schweizer Tourismusmassen steuern kann. Ich kann euch aber versichern: Das kann ich nicht. Vielleicht noch nicht. Aber sicher noch nicht so, dass durch meine Artikel Geheimtipps zu Touristenhotspots werden.

Ich besuche vorgestellte Tipps auch nach meinen Artikeln wieder. Nirgends hatte ich das Gefühl, dass es zu viele Leute hat. Im Gegenteil. Im Frühling war ich im Bruderloch bei Schönholzerswilen, nicht lange nach meinem Artikel. Wir waren insgesamt fünf Stunden unterwegs. Wir sahen dabei: niemanden. Okay, vielleicht, weil das Wetter nicht optimal war, aber schlecht war es auch nicht. Wir kommen später auf das Wetter zu sprechen.

Was für Ausflugstipps willst du?

Wöchentlich präsentieren wir bei «Rauszeit» Ausflugstipps in der Schweiz. Das Spektrum ist fast endlos. Gerne möchte ich auch wissen, was für ein Thema dich interessieren würde. Darum: Schreib mir auf Instagram oder auf [email protected], was du an dieser Stelle gerne einmal lesen möchtest.

Keine Frage, es gibt viele Touristenmagneten

Erst wenden wir uns einer der Touristenmagneten zu: dem Oeschinensee. Wer kennt ihn nicht? Die Farbe, die Felswände, die einfache Erreichbarkeit – das muss man mal live gesehen haben. Das ist nicht (nur) meine Meinung, das denken viele andere auch. Sehr viele andere. Sehr, sehr viele. Darum wird der Oeschinensee sehr oft von sehr vielen Menschen besucht, kaum scheint mal die Sonne. Das kann dann rappelvoll werden da.

Ja, es gibt sie in der Schweiz. Diese Orte, die einfach jeder kennt und wo gefühlt jeder immer da ist, wenn man selbst auch dahin will. Oeschinensee, Caumasee, Gornergrat, Obersee GL, der Aescher. Touristenmagneten halt. Und dann gibt es andere Orte, unbekanntere. Nicht minder schön. Oder zumindest so schön, dass man da immer wieder hin will. Man nennt diese Perlen auch: Geheimtipps.

Hier geht es zu den schönsten Aussichtsbänkli der Schweiz:

Welches ist das schönste Aussichtsbänkli der Schweiz? (Und wie du da hinkommst)

Geheimtipp oder Allerweltsort?

Der Bachtelspalt, nahe dem Dorfe meiner Kindheit, ist so einer. Als ich ein Kind war, wussten nur die Einheimischen, wo er sich befindet. Wegweiser gab es keine. Entweder man war eingeweiht oder eben nicht. Wir waren oft da. Dass es ein Geheimtipp war, wusste ich nicht. Es fühlte sich eher so als Ort an, den wir immer besuchten, wenn meine Eltern nicht recht wussten, was wir sonst tun sollten, sie aber raus wollten. So etwas, das halt immer funktioniert. Eine Notlösung.

Auch auf Schulausflügen mussten wir zum Bachtelspalt. Weiter entfernt von einem Geheimtipp konnte der Bachtelspalt in meiner Welt gar nicht sein. Denn für mich war er zwar eigentlich cool, aber vor allem auch: nervig. Weil IMMER mussten wir dahin.

Heute ist der Bachtelspalt ausgeschildert. Sie haben sogar einen kleinen Rundweg gebaut. So kommt man bequem über Treppen und Wege auf der Seite – den doch steilen Wald – runter und kann dann durch den immer schmaler werdenden Bachtelspalt (kann es sein, dass der Bachtelspalt früher breiter war?) zurück zur Feuerstelle mit Sitzbänken.

Wanderung zum Wissengubel, Bachtelweiher und Bachtelspalt:

Geheimtipps sind sehr subjektiv

Ich gebe es zu: Das alles hat dem Ort etwas von seiner Mystik genommen. Obwohl: Meist ist sonst niemand – oder kaum jemand – anderes dort. Ich gehe mittlerweile freiwillig mit den eigenen Kindern immer wieder dahin. Oder auch mit Freunden und Bekannten, die den Ort noch immer nicht kennen (und teilweise schon lange in der Umgebung wohnen). Sie staunen dann, was es alles gibt in der Nähe ihres Wohnorts. Ich staune auch – dass es noch immer Leute gibt, die den Ort nicht kannten.

Aber es zeigt halt vor allem: Geheimtipps sind sehr subjektiv. Was bei mir als alljährliche Schulreise oder lästiger Familienausflug eingebrannt ist, ist für jemand anderes ein absolutes, unbekanntes Highlight. Man könnte auch sagen: Es gibt gar keine Geheimtipps – zumindest keine objektiven.

Hier geht's zum Bachtelspalt

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So richtig voll ist es bei uns nirgends

Vor rund einem Jahr war ich an einem Vortrag von Guido Buob, Geschäftsführer von Appenzellerland. Er sprach über den Aescher und wie man mit grossen Besuchermassen umgeht. Offen gesagt, habe ich die Massnahmen längst wieder vergessen. Aber etwas ist mir geblieben. Buob sagte: Der Aescher ist während der rund 240 Tage dauernden Saison nicht jeden Tag überlaufen. Man soll mal gegen Abend hin. Oder früh am Morgen. Oder bei nicht so schönem Wetter. Oder allgemein unter der Woche. Dann sieht das alles ganz anders aus. Und: Eigentlich ist der Aescher heute gar nicht mehr überlaufen. Die Fotospots der Instagrammer wechseln von Jahr zu Jahr schneller.

«Geheime» Wasserfälle:

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Sowieso: So richtig voll, das gibt es doch in der Schweiz gar nicht. Ich erinnere mich an einen Besuch in Machu Picchu in Peru. Da hatte es irgendwann so viele Leute, dass man nur noch auf vorbestimmten Wegen in eine Richtung die – dann nicht mehr so faszinierenden – Ruinen betrachten durfte.

Aber auch da gilt: Ganz früh am Morgen hast du vielleicht 30 Minuten die Ruinen fast für dich alleine. Wandere danach bald auf den Huayna Picchu, dann bist du auch dort vor den Massen. Und dann mach die Runde über den Mondtempel: Du wirst alleine sein. Gehe zudem am zweiten Tag auf den Putucusi, den Berg auf der anderen Talseite. Hat auch Ruinen drauf – und super Blicke auf Machu Picchu. Ist ein Geheimtipp, gern geschehen.

Die Schweiz, eine unendliche Postkarte

Doch zurück in die Schweiz. Auch hier kannst du den Massen ein Schnippchen schlagen. Pascal Bourquin, der alle Wanderwege der Schweiz absolvieren will, sagte mir schon vor Jahren: «90 Prozent der Menschen bewegen sich auf 10 Prozent der Wege.» Mit anderen Worten: Es gibt so viele Orte, wo du die Ruhe noch findest, falls du die suchst.

Da kann man natürlich einwenden: Die anderen 90 Prozent der Wege sind vermutlich nicht so schön. Ich weiss, dem ist nicht so. 2015 fuhr ich bekanntlich mit dem Velo in alle Schweizer Gemeinden. Ich war überall, aber habe doch noch längst nicht alles gesehen. Ich wollte unser Land mal entdecken, damit ich es dann von meiner «To-Do-Liste» abhaken kann. Das Gegenteil traf ein. Meine «To-Do-Liste» wurde länger denn je. Überall fand ich noch eine Ecke, die ich dann mit mehr Zeit mal besuchen wollte. Die Schweiz machte süchtig.

Hier gibt's eine Geheimtipp-Auswahl:

Dazu möchte ich auch den Abenteurer Ron Rutland zitieren. Der Südafrikaner ist weit gereist wie sonst nur wenige. Momentan bringt er die Schiedsrichterpfeife für die Rugby-WM 2023 von Neuseeland nach Paris. Er sagte mir einst: «Durch die Schweiz zu fahren, fühlt sich an, als wärst du in einer unendlichen Postkarte unterwegs. Es ist überall so unglaublich schön.»

«Geheimtipps» gegen Wander-Probleme

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Es gibt endlos «Geheimtipps» in der Schweiz

Vielleicht sollten wir uns das zu Herzen nehmen. Vielleicht gibt es gar nicht nur eine Handvoll Geheimtipps in der Schweiz. Vielleicht ist sie voll mit Geheimtipps. Vielleicht sind unsere Geheimtipps eigentlich eh nur «Geheimtipps», weil es so viele davon gibt und weil sie so subjektiv sind. Die Schweiz gehört uns allen. Wieso sollten wir unsere «Geheimtipps» nicht weitergeben? Wir profitierten alle auch schon von solchen Informationen.

Und wenn du einen dieser ganz speziellen Orte für dich alleine haben willst, dann kannst du das noch immer erleben. Vielleicht nicht gerade am schönsten Samstag des Jahres. Ich war vor Jahren am Oeschinensee. Mitten im Sommer. An einem wunderschönen Tag. Ja, am Nachmittag «zerstörten» zu viele Leute den schönen Ort und das Erlebnis. Es war rappelvoll.

Wir übernachteten im Berghotel Oeschinensee. Am Abend hatten wir den See für uns – magisch. Am Morgen stand ich zum Sonnenaufgang auf. Ich war alleine am See – absolut genial. Wir starteten danach früh auf die Rundwanderung – praktisch alleine unterwegs. Du kannst den Oeschinensee noch immer für dich alleine haben. Es muss dir halt bisschen was wert sein. War noch ein Geheimtipp. Freue dich auf viele mehr. Oder ärgere dich halt.

«Geheimtipps», um Geheimtipps auszutanzen:

  • Gehe zu Randzeiten (früh am Morgen, spät am Nachmittag/Abend)
  • Gehe auch mal bei nicht optimalem Wetter
  • Besuche die Orte zur Nebensaison
  • Nimm dir unter der Woche einen Tag frei, statt am Wochenende zu gehen
  • Vertraue auf die Faulheit der Menschen: Kaum musst du vom Parkplatz bisschen weiter wandern, bist du alleine. Die Extrameile lohnt sich.

Reto Fehr

Man muss die Schweiz verdammt gut kennen, wenn man sie besser kennen will als Reto Fehr. Als einer von Wenigen besuchte er schon jede Gemeinde der Schweiz. 2015 radelte er alle damals 2324 mit dem Velo ab. Entstanden ist daraus auch das Buch «Tour dur d’Schwiiz». In der Folge absolvierte Reto die Ausbildung zum Wanderleiter des Schweizer Bergführerverbandes SBV und ist in seiner Freizeit meist in der Natur unterwegs. Als Mitglied des Rätsel-Kollektivs «geoblog.ch» lässt er die User zudem mehrmals wöchentlich die Schweiz in Bildern entdecken.

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